1. Platz: Tamara Stajner

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„Durch diese Gedichte streicht der Wind wie übers Karstland in der poetischen Miniatur, in der die Insel Susak Gedicht wird; durch sie rauscht das Meer wie in der Adria zwischen den Inseln der Kvarner Bucht, klingen die Sprachen, die dereinst eine waren. (…) Auf engstem Raum findet sich ein beglückendes Klang-, Bild- und Farbenspektrum in diesen Gedichten, die mal tonlos flüsternd auftreten (senza voce), mal eigensinnig, ostinato; mal lautstark, mit Elvis’ Jailhouse Rock. Dieser Zyklus folgt der Mutterlinie und der Vaterlinie, überblendet Zeiten und Orte.  Aber indem er alle Mittel der Sprache virtuos nutzt,  erzeugt er innerhalb der historischen Tiefenschichten größte Sinnlichkeit und Klarheit.  Nicht mit Namen werden die Personen genannt, nicht die Gewalt, das Grauen,  das die Geschichte Jugoslawiens birgt – doch gerade dadurch werden sie erkennbar, wiedererkennbar: der Großvater, der Steinmetz, ist ein „sisyphus am gestade“, die Gefängnisinsel Goli Otok „titos hawaii“. Kunstvoll gefügt ist diese poetische Familienarchäologie, durch die nicht nur akustische, sondern auch optische Motive geführt werden.“

2. Platz: Esther Dischereit

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„Lyrik, in der politische Gewalt in ihren verschiedenen Ausformungen Gestalt annimmt. Die Leichen aus den Tiefen der Geschichte werden geborgen und Spuren von Gewalt in der Gegenwart ausfindig gemacht. Dazu bedarf es keiner auffallend moralischer Gesten, die Lyrik arbeitet sparsam mit Verweisen und Anspielungen. Gewalt zeigt sich nicht immer offen, sie ist subkutan vorhanden. Um so mehr ist es wichtig, die Signale von Hass und Ausgrenzung zu erkennen. Die Gedichte, um die es hier geht, versetzen diejenigen, die sie lesen, selbst in die Situation, diese Signale zu deuten und somit Gewalt zu erkennen. Es sind Gedichte gegen die Geschichtsvergessenheit, Gedichte, die den Alltag mit lakonischen Worten beschreiben und dabei nichts beschönigen. Sie zeigen den Schein, sie beschreiben, was auf der Oberfläche gesagt und getan wird, und sie machen durch das, was erkennbar nicht gesagt ist, zugleich deutlich, was unter der Oberfläche an Gefahren, prekären Zuständen, verdrängten Geschichten lauert. Die Gedichte sagen, und sagen zugleich nicht, was zu sagen ist, und das ist eine große Kunst.“

3. Platz: Sebastian Schmidt

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In diesen Gedichten "kömmt" und "nimmet" es,  alles ist "blau und fuck" und "grau und help". Wir Leser:innen werden geführt in einen Wald, der da ist zum "verlieren von dingen", auf mit Versuchsanordnungen verminte Flure, auf Spielplätze der Kindheit mit ihren Geräten, die heilig machen. Und auch wenn das alles zunächst fremd klingen mag, sind das unsere Wälder, Flure und Spielplätze. Es ist unsere Kindheit, wenn wir uns nur erinnern wollten, wie es ist, wenn beim Packen "wieder alles ganz lieb" wird, wie es ist, die "saugung im angesicht von schaukeln" zu empfinden. "klein ist es auf der welt zu sein." Und, ja, den Unterschied zwischen "vier uhr und halb fünf" kennen auch wir gut und, nein, sie ähneln sich ganz und gar nicht. Kein bisschen. Nur befinden wir uns eben nicht im Besitz der "wiewörter anderer art", über die der Dichter verfügt, um das alles auch auf ganz andere Art sagen zu können. Deshalb hören wir ihm gern zu, würden, fragte er uns ein weiteres Mal, ob wir etwa auch eine Kometenvitrine besitzen, bereitwillig unsere Hände heben, sagten: Auch wenn die Blumenahnung bisher fehlte, hat sie sich heute dennoch erfüllt.“